Berlinisch  

 





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Berlinisch

 

Der vollständige Titel dieses Buches lautet: "Berlinisch. Eine berlinische Sprachgeschichte". Es erschien Ende 1927 als zweiter Band der Reihe "Berlinische Forschungen. Texte und Untersuchungen im Auftrage der Gesellschaft der Berliner Freunde der deutschen Akademie herausgeben von Fritz Behrend" in einer Auflage von 5.000 Exemplaren. Am Ende des Kapitels zum "Werden des 'Berlinischen'" fasst Agathe Lasch zusammen:

"Das Berlinische ist nicht, wie man immer wieder lesen kann, ein regelloses Gemisch in verwahrloster Form, sondern in seiner Geschichte deutlich faßbar. Seine Elemente liegen klar vor uns: der Lautgestalt nach ist es die im 16. Jahrhundert aus dem Obs. [Obersächsischen] entlehnte Sprachform, ist es hochdeutsch, und wenn bei Dialektfragen die Lautgestalt zugrunde gelegt wird, so ist das Berlinische nur als 'hochdeutscher' Dialekt zu bewerten. Aber diese Lautgestalt wurde von einem niederdeutschen Volke übernommen und erhielt dadurch in Intonation und Ausprache 'niederdeutschen Charakter'. Zunächst vom höheren Bürgerstand getragen, gewinnt dies Berlinische allmählich die unteren Schichten, die in Wort- und Formenschatz dem Niederdeuschen näher geblieben waren. Wenn die obere Klasse es zugunsten der Schriftsprache aufgibt, wenn es sich in die unteren Kreise zurückzieht, so dringen einige der hier lebenden etwas gröberen Formen vor. Im Wortschatz endlich finden wir die Spuren aller Epochen*), die unsere Sprache durchlaufen hat, aber auch aller der Beziehungen, die in Berlin zusammenströmen, schließlich den charakteristischen Widerklang der berlinischen Geistesart. Statt der geschichtslosen Form finden wir im Gegenteil eine in ihrer Schichtung besonders interessante Bildung, und so dürfen wir auch hier wieder einmal feststellen, daß Berlin besser ist als sein Ruf.

*) Auch darin ist nicht etwa jenes "regellose Gemisch" zu erblicken. Das gleich wird man in jeder Stadt-, ja in jeder ländlichen Mundart aufdecken, wenn wir erst einmal anfangen, wirkliche Sprachegeschichte – d. h. im Tiefendurchschnitt, nicht, wie es heute üblich ist, im Flächenbilde – zu treiben." – S. 139.


Agathe Lasch gab mit dieser ersten umfassenden Stadtsprachengeschichte der modernen Stadtsprachenforschung wertvolle Impulse. 1929 heißt es in einer Rezension:

"[…] Das Buch darf methodisch als Muster der Geschichte einer Stadtsprache gelten." – Hans-Friedrich Rosenfeld in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 84 (1929) N.F. 56, S. 293f.

In einer Besprechung Hermann Küglers von 1928 ist u. a. zu lesen:

"[…] Die "Berlinischen Forschungen" wollen wie ganz und gar nicht anders zu erwarten wissenschaftlich gegründet sein und sich zugleich an einen weiteren, nicht nur fachmännischen Leserkreis gebildeter Berliner wenden, die sich für ihre Heimatgeschichte erwärmen. Wie ungeheuer schwer ist diese Aufgabe bei einem doch überwiegend fachwissenschaftlich-philologischen Thema und wie glänzend hat Agathe Lasch sie gelöst! Um so bewundernswerter, als sie sich vielfach ihren Stoff mühsam aus Bibliotheken, wo er nur noch vorhanden ist, zusammensuchen mußte, ihn aber nicht immer in der beabsichtigten Weise ausnutzen konnte, weil 'in mehr als einem Falle das Entgegenkommen der leitenden Beamten durch die Schwierigkeiten, die die unteren Beamten einer Sonderbehandlung entgegenstellten, wieder aufgehoben wurde' (Vorwort S. IX). Die Benutzer der Staatsbibliothek in Berlin können ein Lied davon singen. Erich Schmidt hat sie deswegen einst die 'Bibliothek gegen die Benutzung' getauft. Agathe Lasch hat sich einen starken Zwang auferlegen und ein Kompromiß schließen müssen, aber eins, gegen das auch der gerecht urteilende Fachmann nichts wird einwenden können, obwohl Kompromisse gewöhnlich oberfaul sind. Verschiedentlich blitzt ihr kritisches Messer, wenn sie liebgewordene Anschauungen zerschneiden muß oder auch gegen Fachgenossen vorgeht und sie kann eine scharfe Klinge führen. Das Recht der gründlichen Kennerin ist auf ihrer Seite; sie ist auch die erste, die sich ihren Weg durch dies Neuland gebahnt hat, für das wissenschaftliche Vorarbeiten so gut wie ganz fehlen: viel ist über Berlin geschrieben worden und wird noch geschrieben, aber wenig gearbeitet. […]

Sie [die Beispiele] zeigen, was wir an reichem Gewinn aus der Lektüre des Buches davontragen, der Philologe und der Historiker. Sie lassen hoffentlich auch erkennen, in wie fesselnder und auch jedem gebildeten Laien verständlicher Form es geschrieben ist. Die sprachlich-kulturgeschichtlichen Erörterungen, die einen großen Teil des Buches einnehmen, besonders die Ausführungen über das Aufkommen von echt berlinischen Schlagwörtern und Redensarten, sind so überaus reizvoll, daß eben kein Lob zu hoch gegriffen ist für diesen leuchtenden Markstein in der Geschichte der Erforschung des 'Berlinischen'. Eine Fülle von noch ungelösten Fragen deutet die Verfasserin daneben für die Fachwissenschaften an – aber die Antwort darauf erhoffen wir doch von diesem treuen Berliner Kinde, das seine heimatliche Sprache und damit Volksart kennt wie kaum jemand sonst!" – Hermann Kügler in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 45 (1928) Hf. 3, S. 136–138.

 


 
 
 
Letzte Änderung. 07.06.2010